Ameisenzähne

Ameisen müssen beim (Durch-)Beißen mindestens 60 Prozent weniger Kraft aufwenden als wir. Ihre Zähne sind viel schärfer und stabiler. Warum das so ist, war lange ein Rätsel. Forscher der University of Oregon haben es jetzt gelöst.

aus zm-online 1.10.21

 

Neue Forschungsergebnisse zeigen, dass Ameisen, Würmer, Spinnen und Krebse über einen eingebauten Werkzeugsatz verfügen, um den sie jeder Zimmermann oder Chirurg beneiden würde.

Ja, Ameisen haben Zähne, wie jeder bestätigen kann, der schon einmal auf einen Ameisenhügel getreten ist. Diese spezialisierten Strukturen, die in der Fachsprache „Kieferzähne“ genannt werden, weil sie außerhalb des Mundes angebracht sind, bestehen aus einem Material-Netzwerk, das einzelne Zinkatome fest miteinander verbindet. Der Gesamteffekt ist ein Unterkiefer, in dem mehr als 8 Prozent des Zahngewichts aus Zink bestehen.

Lange war rätselhaft, wie diese Kompositmaterialien aufgebaut sind. Das Forscher-Team um Prof. Robert Schofield von der University of Oregon hat nun Techniken entwickelt, um Härte, Elastizität, Bruchenergie, Abriebfestigkeit und Schlagfestigkeit der Zähne im Miniaturmaßstab zu messen. Mithilfe einer speziellen Mikroskoptechnik, der sogenannten Atomsondentomografie, wurde eine winzige Probe von der Spitze eines Ameisenzahns genommen und analysiert. So konnten die Forscher feststellen, wie die einzelnen Atome im Ameisenzahn angeordnet sind.

Risse im Ameisengebiss heilen von selbst

„Wir konnten sehen, dass das Zink gleichmäßig im Zahn verteilt ist, was eine Überraschung war“, sagte Mitautor Arun Devaraj. „Wir hatten erwartet, dass das Zink in Nanoknötchen gebündelt ist.“ Der Clou dabei: eine Schneidkante, die wegen der eingelagerten Metallatome viel schärfer sein kann als klassische Biokomposite. Sie besteht im Unterschied zum Zahnschmelz nicht aus Kristallen, die in eine Grundmasse aus Proteinen eingebettet sind, sondern aus einem homogenen Material, dessen Proteine mit Metallatomen wie Zink oder Mangan gehärtet sind.

Denn anders als gedacht sind die Metallatome eben nicht untereinander verbunden. Stattdessen durchdringt das Metall gleichmäßig auch die allerfeinsten Strukturen, ähnlich wie Querverstrebungen, die die Proteine in sich sowie untereinander vernetzen und das Material härten. Diese metallhaltigen Biomaterialien sind extrem abriebfest. Entstandene Risse im Material heilen von selbst, weil die Metallatome gerissene Bindungen einfach neu knüpfen. So kann die in sich einheitliche, durch Zink vernetzte Schneide des Ameisenkiefers viel dünner sein – und gleichzeitig viel schärfer.

In den klassischen Kompositmaterialien unserer Zähne befinden sich dagegen harte Stoffe neben weichen, was dazu führt, dass das Material an der Grenze zwischen hartem Mineral und flexiblerem Protein leichter bricht, vor allem bei sehr feinen Strukturen.

Auch Spinnen und Krebse haben diese Zähne

Insgesamt ermöglichen diese Biomaterialien es den Tieren, mindestens 60 Prozent weniger Kraft aufzuwenden, als wenn ihre Werkzeuge aus ähnlichen Materialien wie die menschlichen Zähne hergestellt wären. Dadurch verbrauchen ihre kleineren Muskeln weniger Energie. Möglicherweise ein Grund, warum alle Spinnen, Ameisen, Insekten, Würmer, Krebstiere und viele andere Organismengruppen diese speziellen Werkzeuge besitzen.

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